Wunderkind: Marissa Lee

Jeden Monat stellen wir euch Stuttgarter:innen vor, die mit mindestens einer Fähigkeit herausragend sind und von denen ihr in Zukunft noch viel hören werdet – ach ja, und nett sind sie übrigens auch!
Marissa hat keine Angst. Weder vor Skorpionen und Solo-Traveling in fremden Ländern noch vor der Verwirklichung ihrer Passion. Gelernt bei Mama und Oma, getestet bei Reisen rund um den Globus und verfeinert in der heimischen Küche hat sich Marissa mit Baobei Food ihren Traum von der authentischen, asiatischen Essenskreation verwirklicht. Mithilfe von selbst gemachten Gewürzen, Ölen, Pasten und der chinesischen Medizin stellt ihr Food ein Gleichgewicht zwischen Körper, Geist und Seele her. Marissa verrät uns, weshalb sie beim Marktgang nach Veggies für ihre Oma und den Dalai Lama Ausschau hält, welche internationale Kulinarik auf Platz 1 ihrer Bucket Liste steht und was es mit ihrem ganz persönlichen „Treasured Place“ auf sich hat. Erzähl uns was über dich, Marissa!
Name Marissa Min Er Lee
Geburtsjahr 1994
Geburtsort Singapur
Wohnort Stuttgart
Worin bist du besonders gut?
Ich bin sehr empathisch und kann mich schnell in Menschen hineinversetzen und ein Verständnis für deren Gefühlslage aufbauen. Außerdem bin ich sehr anpassungsfähig. Das Wichtigste daran ist aber, dass man diese Fähigkeit nicht ausnutzen sollte. Menschen vertrauen mir Dinge schnell an und wenn die Intention gut ist, dann ist das richtig und man kann Menschen helfen. Das hat es mir auch im Leben möglich gemacht, viele verschiedene Persönlichkeiten kennenzulernen und dadurch haben sich Möglichkeiten für mich aufgetan, wo das Vertrauen einfach da war. Wo Menschen zu mir gesagt haben: “Mach das, ich vertraue dir!”.
Wie motivierst du dich?
Mich motiviert tatsächlich Stress, ich funktioniere gut in Stresssituationen. Ich bin dann lösungsorientiert. Mich motiviert es aber auch, mit Menschen zu arbeiten und Sachen zu kreieren, die ich gerne habe und hinter denen ich stehe. Dann bin ich all-in.
Was macht dir Angst?
Ich kann keine Horrorfilme anschauen. Im realen Leben habe ich eigentlich vor nichts Angst. Geboren und aufgewachsen bin ich in Singapur, ich hatte einen Onkel, der dort im Schmetterlingshaus gearbeitet hat, unter anderem auch mit Skorpionen. Und ich muss immer dran denken, dass ich an einem Tag mal acht Skorpione auf mir draufhatte. Mein Onkel meinte zu mir: Wenn du keine Angst hast, dann spüren die das und sie stechen dich nicht. Und ich hatte keine Angst, auch nicht beim Bungee-Sprung oder beim Alleine-Reisen in Indien. Aber Horrorfilme, die sind ganz schlimm, mit mir zu Horrorfilmen ins Kino gehen ist echt peinlich.

Beschreib mal deinen Style in 3 Worten:
Elegant, sportlich und wandelbar.
Wo fühlst du dich in Stuttgart am wohlsten?
Dadurch, dass ich so viel rumgekommen bin, fühle ich mich am Ende des Tages in meinem Bett am wohlsten. Und mit meinen Liebsten zuhause. Aber was heißt Zuhause? Mein Zuhause sind auch Freunde, die wie Familie für mich sind. Ich mag das, wenn alle da sind, ich für sie koche und wir gemeinsam essen.
Hast du eine Lieblings Bus-oder Stadtbahnlinie?
Ich mag die Zacke sehr gerne – es macht Spaß mit ihr zu fahren. Die Strecke hat eine tolle Aussicht und man sieht wunderschöne Häuser.
Dein Lieblingsfilm?
Ich mag Filme, wo man Nachdenken muss, aber auch etwas passiert. Ghost in the Shell finde ich toll, aber ich liebe auch Disney. Da bin ich ein kleines Mädchen, wenn ich mit meiner Schwester zusammensitze, wir davor viel kochen und zwei, drei Disneyfilme hintereinander schauen. Raya und der letzte Drache finde ich so toll, da habe ich achtmal geweint. Alles steht Kopf ist auch super süß. Von den Originals sonst auch Pulp Fiction, der ist einfach ein Klassiker.
Wie erklärst du einem Alien, was du beruflich machst? 
Ich würde ihm einfach einen Dumpling in den Mund stecken und sagen: “Hallo, ich bin dein Freund, probier mal das Essen, du hattest eine lange Reise.”
Baobei Food – was bedeutet das?
Dadurch, dass es ein chinesisches Wort ist, hat es mehrere Bedeutungen. Ich fand das total süß – Baobei ist eigentlich ein Kosename wie “Schatz”, “Liebling” oder “Baby”. Auf der anderen Seite heißt es: “It’s a treasured place”, ein besonderer Ort. Aber es spiegelt auch Verrücktheit wieder. Mein Essen ist auch sehr verspielt und ich ein bisschen verrückt, deshalb passt das. Ich hatte sehr viele Ideen für einen Namen, aber mir war wichtig, dass man es hier auch aussprechen kann, es aber trotzdem chinesisch ist. Und wenn man gutes Essen isst, kreiert man ein Gefühl. Das gehört alles dazu, das ist eine Symbiose und es passt auch zum “treasured place”.
Du kochst für drei Personen deiner Wahl. Wer darf an deinem Esstisch Platz nehmen? Und welches Menü bereitest du vor?
Also eigentlich würden niemals nur drei Leute an meinem Tisch sitzen, das funktioniert nie – am Ende ist die ganze Wohnung voll. Wenn ich mich aber entscheiden müsste, würde ich meine Oma einladen, in Kombination mit dem Dalai Lama. Das wären sicher spannende Gespräche. Und die dritte Person wäre jemand, der es wirklich braucht. Der sich nicht einfach mal ein tolles Essen gönnen kann und es deshalb richtig genießen könnte. Zum Dinner gäbe es ein spontanes Veggie-Menü mit Zutaten aus dem Garten, vom Markt oder vom Bio-Bauernhof.
Wie hast du dich ins Kochen verliebt?
Meine ganze Familie sind Foodies und deshalb ist das sicherlich schon in meinem System drin. Wir kochen auch alle gerne. Ich wollte schon immer in die Küche, wenn meine Tante, meine Oma oder meine Mama gekocht haben, waren wir immer im Hinterhof und haben Lotusstängel geschält oder Dumplings gefaltet. Ich fand das toll, die Geräusche, die Gerüche, es war laut und da ist immer was passiert. Dann bin ich nach Deutschland gekommen und habe gemerkt: „Oh man, ich krieg ja gar nicht das Essen, so wie ich es eigentlich kenne.“ So fing es an, dass ich selbst gekocht habe und ich meinen Job als Flugbegleiterin dafür genutzt habe, überall auf der Welt Local Cuisine zu essen, von Street Food bis Michelin Restaurants. Ich bin heimgekommen, hatte neue Gewürze dabei und habe damit gespielt. Als dann ein Freund, der Profi-Koch war, bei mir vorbeigekommen ist und ich für ihn gekocht habe, wollte er am Ende das Rezept von mir lernen. Da hat sich für mich viel verändert und ich habe verstanden, dass man vielleicht nicht immer die Regeln befolgen sollte, sondern es gut ist, sie hin und wieder zu brechen.
Neben Baobei Food arbeitest du auch als Model. Lieber Full-Time Köchin oder Full-Time Model?
Modeln macht mir Spaß, ich bin wandelbar und mag es, in verschiedene Rollen zu schlüpfen. Aber für mich persönlich ist es nicht erfüllend genug. Beim Kochen kann ich Menschen helfen und etwas Gutes tun.
Dein Geheimtipp für alle Asian Food Lover: Wo kann man in Stuttgart am besten asiatisch essen?
Wenn’s schnell gehen muss, bestelle ich gerne bei Pukkis. Ich war schon in der Küche und sie verwenden frisches Gemüse, klassisch asiatische Thai-Richtung. Das ist gut, wenn ich den ganzen Tag gekocht habe und etwas brauche, was mich an zuhause erinnert. Authentisch asiatisch essen ist schwierig, weil natürlich leider vieles eingedeutscht ist. Aber jetzt hat auch das Okyu in der Calwer Passage aufgemacht, das will ich unbedingt ausprobieren.
… und was sind abseits der asiatischen Cuisine deine liebsten Food Spots in der Stadt?
Ich gehe regelmäßig zur Weinstube Fröhlich und zum Injeera, da ich auch äthiopisches Essen liebe. Aber auch bei Jones Donuts bin ich ein regelmäßiger Kunde, das sind meine Nachbarn mit veganen Donuts und es gibt es jeden Monat etwas anderes. Seitdem der Laden in meinem Leben ist, esse ich regelmäßig Donuts :)
Auf deinem Instagram-Account teilst du nicht nur Essensinspirationen, sondern auch Impressionen deiner Catering-Jobs. Seit wann kochst du für Events und was waren dahingehend deine bisher größten Erfolge?
Ich habe mein erstes Catering für Still Thrifting von Leonie gemacht. Das war ein Freundschaftsding, ich habe mit meiner Mama und meinem Bruder alles selbst gemacht und als ich gesehen habe, dass die Leute auch fürs Essen gekommen sind, habe ich mich gefreut. Ich bin noch so am Anfang, aber ich habe nächste Woche meine erste Hochzeit und dafür tolle Leute an meiner Seite. Ich freue mich darauf, auch größere Sachen zu machen.
Deine Gerichte sind nicht nur lecker, sie sehen auch besonders ästhetisch aus. Was inspiriert dich für die Gestaltung der Teller?
Für mich sind es die einzelnen Formen. Wie habe ich das Gemüse geschnitten? Sind das Würfel? Sind das Sicheln? Ist das ein Püree? Es kommt auch auf die Konsitenz an. Wenn ich meine Menüs konzipiere, achte ich auch auf die Farben und Formen, auf die Platzierung. Am Ende des Tages mag ich, wenn es organisch und natürlich aussieht, aber gleichzeitig muss auch etwas passieren, das aus dem Rahmen herausfällt und etwas edgy ist.
Was macht gute Dumplings aus?
Wie bei jedem guten Essen ist es der Prozess und was für Produkte verwendet werden. Aber auch mit dem Fertigteig aus dem Asia-Shop kann man gute Dumplings machen! Noch besser natürlich, wenn du alles selbst machst. Sehr wichtig ist aber auch, wie die Dumplings gefaltet sind. Meine Oma und meine Tante, von denen ich das gelernt habe, haben mir immer gesagt, dass es nicht eingequetscht sein darf, es kommt auf die Menge an, wieviel Füllung du reinmachst und wie es gefaltet wird.
Stell uns mal deine kulinarische Traumreise vor: Durch welche Länder und welche Küchen möchtest du dich gerne durchprobieren?
Für alle Foodies, die das hier lesen: Singapur ist das Food-Paradise. Dadurch, dass wir so viele Einflüsse haben, von der indischen, malaysischen, kantonesischen Cuisine, ist das Fusion Cooking hoch 100. Ansonsten liebe ich die japanische Küche, die israelische Kulinarik oder auch in der Mongolei habe ich richtig gut gegessen. Wo ich gerne hingehen will und nicht glauben kann, dass ich dort noch nie war, ist Hong Kong. Das steht ganz oben auf meiner Liste, das muss ich mir als Dumpling-Liebhaberin definitiv reinziehen.
Fotografien von Saeed Kakavand

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